Warum Umweltschutz feministisch sein muss
- Claudia Johanna Vatter
- 11. Mai
- 4 Min. Lesezeit
Frauen sind weltweit besonders von Umweltzerstörung betroffen

Frauen, insbesondere im globalen Süden, stehen häufig an vorderster Front der Klimakrise – nicht, weil sie Hauptverursacherinnen sind, sondern weil sie aufgrund sozialer Rollenbilder, ökonomischer Abhängigkeit und politischer Marginalisierung besonders stark betroffen sind. Sie tragen in vielen Gemeinschaften die Verantwortung für das tägliche Überleben ihrer Familien: Sie holen Wasser, sammeln Feuerholz, kümmern sich um Landwirtschaft und Ernährung. Wenn durch den Klimawandel Wasserquellen versiegen oder Ernten ausfallen, sind es oft Frauen, die längere Wege zurücklegen, härter arbeiten oder mit weniger Nahrung auskommen müssen.
Auch bei Katastrophen wie Überschwemmungen, Wirbelstürmen oder Dürren zeigt sich die Ungleichheit: Frauen und Mädchen sterben häufiger, weil sie seltener schwimmen können, schlechtere Zugänge zu Rettungssystemen haben oder schlicht nicht gehört werden. Ihre Verwundbarkeit ist kein biologisches Schicksal, sondern das Ergebnis gesellschaftlicher Strukturen.
Klimaflucht betrifft Frauen besonders hart

Die Klimakrise zwingt bereits heute Millionen Menschen zur Flucht – sei es durch den steigenden Meeresspiegel, zerstörte Lebensgrundlagen oder zunehmende Naturkatastrophen. Klimaflucht ist jedoch nicht geschlechtsneutral. Frauen und Mädchen sind auf der Flucht besonders gefährdet: Sie haben ein höheres Risiko, Opfer von sexueller Gewalt zu werden, werden in Notlagern häufiger diskriminiert und verlieren oft den Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung oder Verhütungsmitteln. Auch Kinder- und Zwangsehen nehmen in vielen Krisengebieten zu – oft als Reaktion auf wirtschaftliche Not.
Ein feministischer Umweltschutz erkennt diese Risiken an und fordert Maßnahmen, die Frauen in humanitären Krisen gezielt schützen und stärken. Er bedeutet auch, Fluchtursachen geschlechtersensibel zu bekämpfen – durch Klimaresilienz, Bildung und gleichberechtigte Entwicklung.
Care-Arbeit und Ökologie gehören zusammen
Ein zentraler Aspekt feministischer Kritik ist die Unsichtbarkeit und Abwertung sogenannter Care-Arbeit: also unbezahlter Arbeit für Fürsorge, Pflege, Haushalt oder Kindererziehung – Tätigkeiten, die überwiegend von Frauen geleistet werden. Auch im Umweltschutz wird Care-Arbeit oft übersehen: Wer versorgt kranke Angehörige in Hitzewellen? Wer trägt die emotionale Last von Klimasorgen in der Familie? Wer passt sich zuerst an, wenn Ressourcen knapp werden?
Zugleich zeigt sich in der ökologischen Krise ein tiefes Missverhältnis: Wir zerstören systematisch die „Lebensgrundlagenarbeit“ der Natur – fruchtbare Böden, saubere Luft, stabiles Klima – genauso, wie wir menschliche Fürsorgearbeit ausbeuten oder ignorieren. Ein feministischer Umweltschutz setzt hier an: Er fordert Anerkennung, Umverteilung und Aufwertung von Care-Arbeit – als Teil einer ökologisch gerechten Transformation.
Die Ausbeutung der Natur spiegelt die Ausbeutung von Körpern wider

Feministische Theorien weisen darauf hin, dass die kapitalistische Ausbeutung von Natur und die patriarchale Kontrolle über Körper, insbesondere weibliche, eng miteinander verknüpft sind. In beiden Fällen geht es um Verfügbarkeit und Kontrolle: über Ressourcen, Reproduktionsfähigkeit, Arbeitskraft. Die Ausbeutung natürlicher Ressourcen und die Regulierung von Körpern, Sexualität und Fortpflanzung folgen oft denselben Logiken: Profitmaximierung, Kontrolle und Macht.
Ein feministisch-ökologischer Ansatz hinterfragt diese Grundannahmen und fordert ein Wirtschaften, das auf Fürsorge und Begrenzung statt auf Ausbeutung basiert – sowohl im Umgang mit der Erde als auch mit menschlichem Leben.
Greenwashing nutzt feministische Anliegen aus – ohne echte Veränderung
Viele Unternehmen betreiben sogenanntes Gendered Greenwashing: Sie vermarkten Produkte als „nachhaltig“ und „feministisch“ – zum Beispiel Periodenprodukte aus Bio-Baumwolle oder wiederverwendbare Kosmetik – ohne ihre Produktionsbedingungen, Lieferketten oder Unternehmensstrukturen zu ändern. So wird der feministische und ökologische Diskurs vereinnahmt, ohne soziale Gerechtigkeit tatsächlich voranzubringen.
Ein kritischer, feministischer Umweltschutz durchschaut diese Strategien und fordert echte Transparenz, faire Arbeitsbedingungen und politische Rahmenbedingungen statt reiner Konsumlösungen. Denn echte Veränderung kann nicht auf dem Rücken der Konsument:innen abgeladen werden – sie muss strukturell und politisch sein.
Frauen sind treibende Kräfte im Umwelt- und Klimaschutz

Ob in internationalen Bewegungen, lokalen Gemeinden oder indigenen Netzwerken: Frauen sind oft Initiatorinnen und tragende Kräfte im Umweltengagement. Sie organisieren Proteste gegen Großprojekte wie Staudämme oder Minen, setzen sich für biologische Vielfalt und nachhaltige Landwirtschaft ein oder fordern weltweit ambitionierte Klimapolitik. Dabei verbinden sie ökologische Fragen häufig mit sozialen Anliegen – wie etwa Bildung, Gesundheit oder faire Arbeitsbedingungen.
Dennoch sind Frauen in der Umweltpolitik nach wie vor unterrepräsentiert. In internationalen Gremien, auf Konferenzen oder in Umweltministerien dominieren männliche Stimmen. Feministische Umweltpolitik fordert deshalb mehr als symbolische Beteiligung – sie verlangt strukturelle Veränderungen, die eine gleichberechtigte Mitgestaltung ermöglichen.
Nachhaltige Lösungen brauchen diverse Perspektiven
Technokratische Lösungen – etwa CO₂-Kompensation, „grünes“ Wachstum oder Großinvestitionen in Infrastruktur – dominieren derzeit viele Debatten um Umweltschutz. Doch häufig werden dabei soziale Aspekte, kulturelle Kontexte oder lokale Realitäten übersehen. Frauen, insbesondere aus indigenen oder ländlichen Gemeinschaften, verfügen über tiefes ökologisches Wissen, das oft ignoriert oder marginalisiert wird. Sie wissen zum Beispiel, welche Pflanzen Heilwirkung haben, wie man Wasser ressourcenschonend nutzt oder wie Böden langfristig fruchtbar bleiben.
Ein feministisch geprägter Umweltschutz erkennt an: Lösungen, die nur von oben und ohne Beteiligung der Betroffenen gedacht sind, greifen zu kurz. Diversität – in Wissen, Erfahrung und Perspektiven – ist eine zentrale Ressource für wirksame und gerechte Umweltpolitik.
Frauen gestalten Alternativen – jenseits von Wachstum und Profit
Zahlreiche feministische Bewegungen weltweit entwerfen konkrete, machbare Alternativen zu einem auf Wachstum fixierten, umweltschädlichen System. Sie entwickeln Modelle solidarischer Landwirtschaft, gründen Kooperativen für lokale Energieversorgung oder stärken Tausch- und Care-Ökonomien. Diese oft unsichtbaren oder belächelten Praktiken sind in Wahrheit visionäre Ansätze für ein neues Verhältnis zur Natur – geprägt von Gemeinschaft, Achtsamkeit und Gleichwertigkeit.

Feministische Ökologie denkt ganzheitlich
Feministische Theorien wie der Ökofeminismus betrachten Umweltzerstörung und patriarchale Unterdrückung nicht als getrennte Probleme, sondern als Ausdruck derselben Denkweise: einer Weltanschauung, die auf Kontrolle, Konkurrenz und Ausbeutung beruht – sei es gegenüber Frauen, marginalisierten Gruppen oder der Natur. Dieses System betrachtet sowohl Menschen als auch die Umwelt als Ressourcen, die maximal ausgebeutet werden dürfen.
Feministische Ökologie schlägt einen radikal anderen Ansatz vor: einen, der Fürsorge, Verbundenheit und Achtsamkeit in den Mittelpunkt stellt. Sie fragt nicht nur: Wie können wir die Umwelt retten? Sondern auch: Wie müssen wir Wirtschaft, Macht und Beziehungen neu denken, um ein nachhaltiges und gerechtes Zusammenleben zu ermöglichen?
Fazit
Wer die Umwelt schützen will, muss soziale Gerechtigkeit mitdenken. Und wer feministisch denkt, muss auch die ökologischen Bedingungen des Lebens ernst nehmen. Die Umweltkrise betrifft nicht alle gleich – und sie wird nicht gerecht gelöst, wenn bestehende Ungleichheiten einfach reproduziert werden. Ein feministisch informierter Umweltschutz setzt sich für eine Welt ein, in der sowohl die Natur als auch alle Menschen respektiert und geschützt werden. Nur so kann eine wirklich nachhaltige Zukunft entstehen – solidarisch, gerecht und lebenswert für alle.